Die Vorgeschichte des HBPG

Am 6. Februar 2023 veröffentlichten die „Potsdamer Neueste Nachrichten“ auf ihrer Internetseite einen Gastbeitrag von Professor Julius H. Schoeps, Gründungsdirektor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, zu der aktuellen Diskussion um das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Er geht darin ausführlich auf die Frage des Verhältnisses zwischen Brandenburg und Preußen ein und auf dessen Widerspiegelung im Namen des Ausstellungshauses des Landes Brandenburg am Neuen Markt.

Seinen Ausführungen dazu kann nur zugestimmt werden.  Vor allem, wenn er feststellt:

Für das geplante Ausstellungsgebäude wählten wir bewusst die Bezeichnung „Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte“, weil wir der Ansicht waren, Brandenburg sei das eigentliche Kernland des preußischen Staates gewesen. Ohne Preußen kein Brandenburg, ohne Brandenburg kein Preußen.“

Mit „wir“ meinte er den damaligen Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe, und sich.

„Als der seinerzeitige Ministerpräsident Manfred Stolpe, sowie ein Beraterkreis, zu dem meine Mitarbeiter vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum und ich gehörten vor mehr als 20 Jahren in verschiedenen Gesprächsrunden zusammen mit Stolpe die Idee entwickelten, ein „Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte“ im Potsdamer Kutschstall zu etablieren, war das nicht ein blauäugiges Vorhaben, sondern das Ergebnis sorgfältiger Beratungen."

Hier wäre nett gewesen, wenn Herr Schoeps daran erinnert hätte, dass es damals drei – in gewisser Konkurrenz zueinander stehende – Gruppierungen gab die sich mit der Frage befassten, wie dem Kutschpferdestall am Neuen Markt eine sinnvolle Nutzung gegeben werden könnte.

Zum einen war das Manfred Stolpe mit einem Stab von Fachleuten, hauptsächlich von der Landesinvestitionsbank und dem Landesamt für Denkmalpflege.
Zum zweiten Julius H. Schoeps mit dem Moses-Mendelssohn Zentrum.
Zum dritten die Initiative der Potsdamer Innenstadtinvestoren, dessen Mitglied „Werder-Frucht" damals Nutzer des von der Treuhand Liegenschafts-Gesellschaft (TLG) verwalteten Gebäudes war.

1998

„Werder-Frucht", konkret dessen Geschäftsführer Dieter Dörflinger, war an das Potsdamer Zinnfiguren-Kabinett in der Burgstraße und an seinen Eigentümer, Dietrich Garski, mit der Bitte herangetreten, sich in die Diskussion um die künftige Nutzung des Bauwerks einzubringen. 1992 hatte Dörflinger bereits einen Versuch zur Wiederbelebung des Neuen Marktes gestartet. Zunächst wollte er im Dezember 1992 mit einem Weihnachtsmarkt starten. Die Umnutzung des Kutschpferdestalls in eine Markthalle unter der Bezeichnung "Fruchthof" war das Hauptziel. Der Berliner Architekt Christian Koch hatte erste Projektzeichnungen angefertigt, die am 15. Oktober 1992 in einer Diskussionsrunde mit Vertretern der Stadtverwaltung und verschiedener Baufirmen vorgestellt wurden. Das Projekt wurde nicht umgesetzt.
Auf die Bitte Dörflingers im Jahr 1998 reagierend sprach Dietrich Garski den Sprecher der Initiative Potsdamer Innenstadtinvestoren, Dr. Volker Punzel, an, der zusammen mit dem Ausstellungsgestalter des Zinnfiguren-Kabinetts und Kunstmaler, Gunnar Klatte, eine Idee entwickelte. Klatte, Spezialist für Ausstellungen, brachte die Ideen zu Papier und gemeinsam wurde ein Konzept für eine Ausstellung vorgelegt, die zum 300. Jahrestag von Brandenburg-Preußen eröffnet werden sollte. Die Ausstellung war gewissermaßen als Generalprobe gedacht und sollte aus Zinnfiguren-Dioramen unterschiedlicher Größenordnung bestehen, kombiniert mit historischen Ausstellungsstücken und unterteilt in konkrete Themenbereiche und Zeitabschnitte. Die Finanzierung sollte in privater und öffentlicher Partnerschaft erfolgen. Garski konnte sich dabei darauf berufen, dass ihn auch Stolpe persönlich wegen des Kutschpferdestalls angesprochen hatte.

Am 11. Juli 1998 trafen sich Dietrich Garski und Gunnar Klatte zu einem ersten Gespräch. Im Protokoll dazu heißt es:

Herr Garski hat seine Idee zu einer Ausstellung „300 Jahre Brandenburg-Preußen“ wie folgt erläutert:
1) Der Grundgedanke ist eine Zinnfiguren-Ausstellung.
2) Ausstellungsfläche ca. 1 000 qm. Damit wäre die Möglichkeit gegeben, weitere Exponate (Leihgaben der Museen) hinzuzufügen.
3) Höhepunkte der Ausstellung sollten internationale Leihgaben bedeutender Zinnfigurensammlungen bilden.
4) Der Veranstaltungsort könnte der historische Kutschpferdestall am Neuen Markt sein. Ein kleines Freigelände rückseitig könnte mit eingeplant werden.
5) Natürlich soll die Ausstellung in die historischen Gegebenheiten Potsdams sowie in die BUGA eingebunden sein.
6) Der Anspruch der Ausstellung soll dem der Stadt Potsdam entsprechen und internationalem Vergleich standhalten.
7) Die Finanzierung muss durch Sponsoren und (soweit möglich) durch öffentliche Zuschüsse aufgebracht werden.
8) G. Klatte sollte bis Mitte September ein Ausstellungskonzept erarbeiten. Er ist für die künstlerische Gestaltung allein verantwortlich

Punkt 7 gab die Intention von Manfred Stolpe wieder. 1997 hatte er erklärt, dass sich „das HBPG allein durch Sponsoren finanzieren (lasse) und dem Land keinen Pfennig kosten“ werde.
Im September lag das ausführliche Konzept vor. Es gab erste Diskussionen darüber, an denen auch Julius H. Schoeps teilnahm. Doch zur Ausführung kam es nicht. Voraussetzung dafür wäre ein Entgegenkommen von Prof. Schoeps gewesen. Doch dazu war er damals nicht bereit.

Angesichts dessen entschloss sich Manfred Stolpe schließlich, das ganze Projekt mit Landesmitteln und Institutionen des Landes umzusetzen. Ein für die Sammlung privater Gelder gegründeter Förderverein des HBPG sah sich bald vor das Problem gestellt, dass potenzielle Geldgeber rar waren. Woher hätten sie auch kommen sollen? Und jene, die schon da waren, investierten ihr Geld in Bauvorhaben auf der grünen Wiese, in die Villen der Potsdamer Vorstädte oder in dessen marode Innenstadt. Zudem: 2001 - also im „Preußenjahr" sollte die Bundesgartenschau auf dem Bornstedter Feld stattfinden. Und in diese zu investieren, war lukrativer, als in einen maroden historischen Baukomplex.
Hasso Plattner kam dem glücklosen Ministerpräsidenten in der Not zu Hilfe und erklärte sich auf dessen Bitten bereit, Teile der im Inneren des Kutschstallareals befindlichen Gebäude zu sanieren bzw. Neubauten zu errichten. 14 Millionen Mark wollte sich der Großaktionär das kosten lassen. Das Land wollte Mittel in Höhe von 1,8 Millionen Mark hinzugeben. (1)

1999

Julius H. Schoeps und Prof. Bernd Sösemann (Freie Universität Berlin) reichten dem Kulturministerium eigene Konzepte für eine Ausstellung im HBPG ein. Sie wurden vom Kulturministerium als nicht geeignet eingeschätzt und abgelehnt. Eine Gruppe unter Leitung von Hartmut Dorgerloh, HBPG-Gründungsbeauftragter, erhielt den Auftrag ein eigenes Konzept zu erarbeiten. Dr. Agnete von Specht, Historikerin und Ausstellungsgestalterin, übertrug die Gruppe die praktische Umsetzung des Auftrages.

2000

Am 15. Mai 2000 berief Kulturminister Wolfgang Hackel (CDU) die Gründungskommission für das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Sie sollte zugleich die Vorbereitungen zu dem Jubiläum  „300 Jahre Preußen“ im Jahr 2001 voranbringen. Dem Gremium gehörten unter der Leitung des Militärhistorikers Prof. Bernhard R. Kroener (Universität Potsdam) weitere folgende fünf Personen an:
Prof. Peter Michael Hahn (Historiker, Universität Potsdam)
Prof. Knut Kiesant (Literaturhistoriker, Universität Potsdam)
Prof. Günther Lottes (Forschungszentrum für Europäische Aufklärung)
Prof. Bernd Sösemann (Freie Universität Berlin)
Prof. Detlef Karg (Landeskonservator Brandenburg).

Die unter Leitung von Dorgerloh arbeitende Gruppe sollte mit der Gründungskommission zusammenarbeiten. Des Weiteren wurden von ihr Ideen für die Nutzung des Kutschpferdestallks nach dem Jubiläum 2001 erwartet. (2)

Sie gaben dem künftigen Ausstellungshaus den Namen und machten sich Gedanken über dessen Interpretation sowie über den Inhalt des HBPG. Ein für die Bürger offener Ort der Geschichte sollte es sein, so die Absicht der Gründerväter.

Frank Kallensee von der „Märkischen Allgemeine Zeitung“ MAZ kommentierte unter der Überschrift "Gründer" den Vorgang am 16. Mai 2000 wie folgt:

Jetzt sind die Kritiker am Zuge. Drei Jahre mussten sie darauf warten. Drei Jahre, die sie dazu nutzten, um gegen das Projekt beziehungsweise gegen die zu Felde zu ziehen, die es bewerkstelligen wollten. Es könne nicht angehen, hieß es da etwa, dass bei einem Unternehmen wie dem in Potsdam geplanten Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte Inhalte maßgeblich von „fachfremden Kräften“ bestimmt würden. Die Fachfremden waren der Potsdamer Politologe Julius H. Schoeps und der Ausstellungsmacher Bodo-Michael Baumunk. Beider Vorschlag ist – warum, sagt keiner – inzwischen abgeschmettert und der Beschwerdeführer ist nun berufen, die Inhalte seinerseits mitzubestimmen. Den Expertenrat des Potsdamer Landeshistorikers Peter-Michael Hahn erbat Kulturminister Wolfgang Hackel, nachdem er einsehen musste, dass bisher zwar „lange geredet, aber zu wenig vernünftig umgesetzt“ wurde. Ein von ihm zur Gründungskommission erklärtes Professoren-Sextett, dem auch Hahn angehört, soll nun richten, was verbogen ist. Ein Jahr hat es Zeit, um besser zu gründen als seine Vorgänger. Und weil das alles eh schon peinlich genug ist, ist es zum Erfolg verdammt.

Anmerkungen

(1) Vgl. Saab, Karim: Wortbrüchig in die Zukunft. Preußen-Museum ohne Finanzierung. In: MAZ v. 5. März 2001.

(2) Vgl. Weirauch, Dieter: Vorbereitungen für 300 Jahre Preußen forciert. In: Berliner Morgenpost v. 16. Mai 2000.

 

 

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