Keine Hoffnung für ehrenamtliche Geschichtsforscher

Am 27. November stellten SPD und BSW ihr Programm für eine von ihnen getragene Koalition vor. Es liest sich, als ob die SPD nicht bereits seit 34 Jahren in Brandenburg regiert, nicht nur Erfolge vorweisen kann, sondern auch eine große Zahl von Defiziten. Vor allem müsste sie aufgrund dessen eigentlich schon Dokumente in der Hinterhand haben, um die festgestellten Defizite schnell zu beseitigen.
Aber davon ist im Koalitionsvertrag nichts zu finden. Stattdessen bleiben alle als Auftrag formulierten, umzusetzenden Aufgaben im Unverbindlichen oder sie werden auf einen Zeitpunkt in der Zukunft vertagt. Und zu dieser Regierung sollen wir nach dem Lesen des Koalitionsvertrages Vertrauen haben?
Die ehrenamtlich im Land Brandenburg Geschichtsforschung betreibenden Männer und Frauen können erst recht kein Vertrauen haben. Gibt es sie offiziell doch gar nicht!
So wie sie auch nicht im von der Regierung vertretenen Kulturbegriff zu finden sind.  Dabei hat der Landtag am 29. April 2021 einen Beschluss zu ihrer Förderung angenommen, und zwar die Koalition und die Opposition übergreifend.

Die Worte bzw. Wortkombinationen „prüfen“, „einsetzen“, „gezielt stärken“, „werden stärken“, „darauf hinwirken“ dominieren neben anderen den gesamten Text. Dabei wäre es für die Menschen wichtig gewesen, den in allgemeinen Aussagen gehaltenen Abschnitten zu einzelnen Bereichen der Gesellschaft einen Anhang beizufügen, in dem – mit konkreten Terminen versehen – die Maßnahmen aufgeführt werden, die umgesetzt werden sollen.
Aber gerade dazu hatten beide Verhandlungspartner – SPD und auch das BSW – nicht den Mut. Warum auch! Heißt es doch im Vorspann des Koalitionsvertrages:
„Brandenburg hat sich besser als andere Bundesländer entwickelt. ... Der Erfolgsgeschichte Brandenburgs wollen wir in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts neuen Schwung verleihen.“ Und das, obwohl sich Deutschland, wie an anderer Stelle geschrieben, in einer Rezession befindet. Aber diese scheint, um Brandenburg einen Bogen gemacht zu haben oder zu machen?
Fazit: An keiner Stelle gibt es Selbstkritik. Es wurde immer alles richtig gemacht!! 

Im Absatz 4.2. Kultur des Koalitionsvertrag-Entwurfs heißt es: 

Brandenburg ist geprägt von einer reichen und vielfältigen Kulturlandschaft, die unsere Identität stärkt und die Brandenburgerinnen und Brandenburger verbindet. Die Pflege und Förderung dieser Kulturlandschaft sind eine wichtige Aufgabe unserer Politik. Wir erkennen Kultur als ein öffentliches Gut an, das unabhängig von sozialen, wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Hürden allen Menschen offenstehen muss. Die Kulturpolitische Strategie des Landes Brandenburg definiert den Kulturbegriff umfassend. Die Koalition wird alle kulturpolitischen Entscheidungen an diesem Kulturbegriff ausrichten und will die reichhaltige Kulturlandschaft in Brandenburg erhalten.

Die Ehrenamtliche Geschichtsarbeit ist Teil der "reichhaltigen Kulturlandschaft in Brandenburg". Aber von ihr kein Wort. 

Weiter ist unter dem Absatz "Gedenken und Erinnern" zu lesen:

"Unsere Gedenkstätten bewahren die Erinnerung an die Verbrechen zweier Diktaturen und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Demokratiebildung. Sie sind Orte der Reflexion, des Lernens und der Mahnung, die für die heutige und zukünftige Gesellschaft von großer Bedeutung sind. Insbesondere die sieben historischen Orte der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten leisten einen entscheidenden Beitrag zur Erinnerungskultur des Landes und sind von nationaler und internationaler Bedeutung. Die Koalition unterstützt die Gedenkstätten beim Erhalt der Bausubstanz der Gedenkorte und der Ausweitung der Kapazitäten für Besuche von Schülergruppen.
Wir unterstützen die Arbeit des Netzwerks Zeitgeschichte und verstetigen dessen Förderung. Dabei legen wir besonderen Wert auf die Förderung der zahlreichen ehrenamtlich getragenen Gedenkorte, deren Engagement wesentlich zur Erinnerungskultur in unserem Land beiträgt.
Wir prüfen, ob Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende künftig kostenfreien Eintritt in landeseigene Museen und Gedenkstätten erhalten können. Zudem stärken wir eine Zusammenarbeit zwischen Schulen, Jugendarbeit und Museen sowie Gedenkstätten."

Mehrfach wurde die in Brandenburg von den durch die SPD geführten Regierungen favorisierte Erinnerungskultur kritisiert. Sie war und ist nicht erfolgreich! Sie trägt nicht zur Demokratiebildung bei, sondern zum Frust über die Demokratie.

Nach wie vor wird vor allem die Beschäftigung mit der Geschichte honoriert, die sich auf die Jahre 1933 bis 1945 bzw. 1949 bis 1989 bezieht und den von der Landesregierung formulierten Vorgaben folgt. Dass Brandenburg wesentlich mehr an Geschichte zu bieten hat und Demokratiebildung nicht nur an der Auseinandersetzung mit Diktaturen erfolgen kann, sondern vor allem an der Beschäftigung mit der Entwicklung der Demokratie auf der Grundlage örtlich konkreter Beispiele wurde und wird von der SPD-Regierung nicht gesehen. Und nun stimmt auch noch das BSW in diesen Tenor ein.

 

 

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