Weglassungen, ein Mittel zur Beschreibung der Gegenwart?

"Historische Bildquellen. Eine Handreichung für Ortschronisten" lautet der Titel einer von Dr. Iris Berndt verfassten und kürzlich erschienenen Publikation. Die Spezialistin für die Bildquellen zur Geschichte des Landes Brandenburg leistet damit einen Beitrag, auf den die Ortschronistinnen und -chronisten des Landes Brandenburg bereits seit vielen Jahren warten. Ihre Arbeit ist Band 1 einer unter dem Titel "Arbeiten zur brandenburgischen Orts- und Regionalgeschichte" angedachten Reihe. Ortschronistinnen und -chronisten sollen darin publizieren können.
Ein begrüßenswerter Ansatz. Auch wenn der Herausgeber der Schriftenreihe, die Brandenburgische Historische Kommission, in Person ihres Vorsitzenden Prof. Dr. Klaus Neitmann, eine ähnliche Absicht bereits vor über zehn Jahren den Geschichtsforschung betreibenden Ehrenamtlern versprochen hatte. Doch es blieb bei dem "Leitfaden für Ortschronisten in Brandenburg" von Dr. Peter Bahl. Selbst für die Veröffentlichung der Beiträge von dem jährlich seit 2005 stattfindenden "Tag der brandenburgischen Orts- und Landesgeschichte" hatte Neitmann weder Kraft noch Interesse. Und nun soll auf einmal alles besser werden? Es sind Zweifel angebracht. Besonders nach dem Lesen des von Prof. Neitmann gemeinsam mit Dr. Mario Huth, mit öffentlichen Mitteln geförderter und damit zeitlich begrenzt tätiger Leiter der "Beratungsstelle für ehrenamtliche Geschichtsarbeit in Brandenburg" verfassten Vorworts zu Band 1.

"Die BrHiKo hat es ... sehr früh als ihre Aufgabe angesehen, sich für die verstreut im Lande tätigen ehrenamtlichen Kräfte einzusetzen und ihnen in ihren Anstrengungen zur Seite zu stehen, indem sie ihnen Angebote zur Unterstützung und Förderung ihrer methodischen und inhaltlichen Arbeitsweise unterbreitete. Seit 2005 führt sie unter Mithilfe des Brandenburgischen Landeshauptarchivs und der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte einmal jährlich die „Tage der brandenburgischen Orts- und Landesgeschichte“ durch, als eine speziell auf die Belange der Ortschronisten zugeschnittene Fortbildungsveranstaltung."

Obwohl Prof. Dr. Klaus Neitmann seit 2021 unter öffentlicher Beobachtung steht und zahlreiche Beiträge zur Entwicklung und aktuellen Situation der ehrenamtlichen Geschichtsarbeit im Land Brandenburg öffentlich zugänglich sind, verbreitet er diese Behauptung. In seinen historischen Arbeiten um Solidität bemüht, betreibt er auf die Gegenwart bezogen Geschichtsklitterung und -verfälschung.

Das hat Methode. Wir erleben eine derartige Vorgehensweise seit 1990. Die Akteure haben immer wieder gewechselt. Der Ablauf der Vorgänge war jedoch stets der gleiche, und auch das Ziel: Wie sichern wir uns so viel wie möglich Geld aus öffentlichen Mitteln für die eigene Verwendung!

Man nennt das Korruption!

Als die SPD in der untergehenden DDR noch einen anderen Namen trug, führte sie Werbeveranstaltungen für künftige Mitglieder durch. In Potsdam fanden sie damals in den hinteren Räumen im Obergeschoss des Jugendklubs "Spartacus" statt. Es gab Vorträge und Gespräche in Arbeitsgruppen.
In einer ging es um die Grundwerte der Sozialdemokratie. Bislang politisch nicht aufgefallene und in der Geschichte der Sozialdemokratie nicht besonders bewanderte Personen schwadronierten in einer Weise über Themen, dass einem vor der Zukunft Himmelangst werden konnte. Spätere Minister - wie Jochen Wolf, erster Bauminister Brandenburgs - waren unter den Referenten. Unter den Zuhörern befand sich Horst Gramlich, bis dato parteilos, ab Frühjahr 1990 dann bis 1988 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam. Er war ein ehrlicher Mensch. Vertraute aber darauf, dass sich die Verhältnisse zum Besseren verändert hätten. Bis er 1999 aus dem Amt gejagt und durch den Kronprinzen Manfred Stolpes, Matthias Platzeck, ersetzt wurde.

Jochen Wolf machte ab 1993 viel von sich reden. Die Medien befanden sich in einem Wettlauf, um über ihn zu berichten. Doch nicht Positives. Er war korrupt. Und stellte eine Gefahr dar für die Glaubwürdigkeit der neuen revolutionären Vorhut - die SPD. Auch wenn sich die Partei von ihm trennte, er hatte Nachahmer. Sie stammten aus dem Osten oder kamen aus dem Westen. Was wesentlich öfter der Fall war. Es gab Untersuchungsausschüsse des Landtages. Es gab Pressekampagnen. Geändert hat sich nichts!

Die auf den Seiten dieser Internetplattform veröffentlichten Beiträge zum Umgang mit der ehrenamtlichen Geschichtsarbeit im Land Brandenburg seit 1990 und mit ihren Vertretern - einfachen Menschen, die sich für die Geschichte interessierten - ist nur eine Seite des Bildes. Offensichtlich ist es aber gerade diese, die Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) meinte, als er zum 35. Jahrestag des Mauerfalls erklärte:

"Ich wünsche mir manchmal so ein bisschen diese Zuversicht, aber auch diese Wir-schaffen-das-Mentalität dieser Tage zurück."

Viele Leute traten sich damals nach oben durch, die dort nicht hingehörten. Die Klugen, die dort eigentlich hingehört hätten, wurden gejagt. Mundtot gemacht, aus der Öffentlichkeit verdrängt in der Hoffnung, sie dauerhaft zum Schweigen zu bringen. Bis sie sich in ihr Schicksal fügten. Wer das nicht konnte, wurde schwer krank, mit oft tödlichem Ausgang, oder nahm sich das Leben. Wer sich wieder erheben konnte und zum aufrechten Gang zurückfand, gab die Suche nach einer Alternative zu den herrschenden Zuständen nicht auf. Sie sind schreibend in den sozialen Medien aktiv oder wurden Sympathisanten bzw. Mitglieder der AfD. 

Die sich nach oben durchgetreten hatten, nutzten damals die Hoffnungen der Masse aus, machten ihnen Versprechungen und richteten sich in dem von ihnen geschaffenen neuen System ein. Die Medien machten Jagd auf "alte Seilschaften" - manche davon waren der medialen Fantasie entsprungen. Die neuen Seilschaften aus Vertretern der neuen Macht, die mit besonders cleveren bzw. skrupellosen Vertretern des untergegangenen Systems zusammenarbeiteten, ließen sie in Ruhe. Es ging um gute Jobs und um Teilhabe an den Wohltaten der neuen Macht.
Axel Hilpert, bis 1990 bei der Kunst und Antiquitäten GmbH des MfS tätig, ist in seiner Zusammenarbeit mit Bauminister Jochen Wolf nur ein Beispiel für die seit 1990 entstandenen Geflechte. Als man ihn 1993 in die Wüste schickte und er einige Jahre später wieder als Investor eines großen Hotelkomplexes in Petzow auftauchte, ließ er sich mit jedem um seine Gunst und sein Geld buhlenden Besucher fotografieren. Die Bilder wurden im Untergeschoss des Hotels an die Wand gehängt. Damit später niemand sagen konnte, er habe von nichts gewusst und Hilpert nicht gekannt.

Axel Hilpert starb im Zuchthaus und nahm vieles Wissen mit ins Grab.
Möglicherweise dokumentierte er sein Nachwendeleben nicht nur fotografisch. Möglicherweise gibt es auch umfangreiche Aufzeichnungen über ihn und seine Besucher. Möglicherweise kommt das alles nur ans Licht, wenn sich die politischen Verhältnisse wieder einmal verändern. Und die neuen Machthaber mit ihren Vorgängern abrechnen.

Doch noch ist Zeit für die, die noch (!) das Sagen haben, sich zu besinnen und reinen Tisch zu machen. Aber sind sie dazu bereit?

Die Lehre der Jahre 1989 und 1990 ist, dass dies nur unter sehr großem Druck möglich wird. Innerhalb der Parlamente und von sich wieder zu Mut durchringenden Menschen.

Wie sagte Dietmar Woidke:

"Was am 9. November 1989 begann, bleibt ein Auftrag für die Zukunft. Einiges von der damaligen Aufbruchsstimmung und dem Gemeinschaftsgefühl brauchen wir auch heute."

Dem kann man nur zustimmen.

Auch wenn es Woidke selbst mit diesem Auftrag nicht ernst meint. Spätestens bei der Veröffentlichung des mit dem BSW ausgehandelten Regierungsprogramms der Machtaufteilung in Brandenburg werden die es sehen, die es auch wissen wollen.

 

Kommentare powered by CComment