Erklärung zu den Erwartungen nach der Landtagswahl
Eine Erklärung zum Ergebnis der Landtagswahl am 22. September 2024 und zu den sich daraus ergebenden Positionen und Erwartungen ging am 30. September 2024 an die Fraktionen der AfD, des BSW und der CDU. An die Fraktion der SPD wurde sie nicht verschickt, da von ihr bislang keine Beachtung der Interessen der fast 10.000 ehrenamtlich Geschichtsarbeit im Land leistenden Personen erfolgte und dies auch aktuell nicht zu erwarten ist. Der Koordinator Ehrenamtliche Geschichtsarbeit Land Brandenburg, Dr. Volker Punzel, hebt in der Erklärung die höchste Wahlbeteiligung in der Geschichte Brandenburgs hervor. Er verweist auf den mit der Wahlentscheidung verbundenen Wunsch nach Veränderungen in der Landespolitik und auf das Votum der überwiegenden Mehrheit der Wählerinnen und Wähler gegen ein "Weiter so ...".
Brandenburg ist stark und es sind die Menschen, die unser Land stark machen. ... Die Geschichte Brandenburgs erzählt von Menschen, die nicht aufgegeben haben, auch wenn die Widerstände und Enttäuschungen gerade in den Nachwendejahren groß waren. Sie erzählt davon, wie Brandenburg für so viele Menschen ein Zuhause und auch Heimat geworden ist. Für Menschen, die schon immer hier lebten und für Menschen, die – auch aus den alten Bundesländern und aus anderen Ländern – zu uns kamen und kommen.
(Aus dem Wahlprogramm der SPD, 2024)
Die Geschichte Brandenburgs in seinen Anfangsjahren und der nachfolgenden Zeit ist nicht nur von "Widerständen und Enttäuschungen" geprägt, die die hier lebenden Menschen verarbeiten mussten, sondern es ist auch eine Geschichte der Missachtung der Interessen der Menschen, die 1989 auf dem Gebiet des späteren Landes Brandenburg lebten und aus den verschiedensten Gründen ihre Heimat nicht verlassen haben. Die Missachtung und teilweise Diskriminierung bestehen bis in die jüngste Zeit. Aktuell äußern sie sich in der medialen Bewertung des Wahlergebnisses vom 22. September 2024, die den Wählerinnen und Wählern die demokratische Befähigung abspricht und ihnen Undankbarkeit vorwirft.
Es gibt keine Partei, die die Interessen der ehemaligen DDR-Bürger wahrnimmt, die in ihrer Heimat geblieben sind, und auch nicht die Interessen ihrer hier geborenen und gebliebenen Kinder und Enkelkinder.
Massenarbeitslosigkeit und Deindustrialisierung, vollständige Entwertung von Biografien, Aberkennung von Qualifikationen und Berufsabschlüssen, Widerstand gegen die Bemühungen der Ostdeutschen zur Existenzgründung, Beseitigung aller mit der DDR verbundenen sozialen Fortschritte sowie Leistungen in der Industrie, Wissenschaft und Forschung. Kampagnen von Medien und Politik gegen alles, was vormals mit der DDR verbunden war. Vor allem gegen alle als "staatsnah" ausgemachte Personen. Persönlichkeiten zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück und überließen dem Mittelmaß ihren Platz. Wer sich dennoch unvorsichtigerweise aus der Deckung wagte und glaubte, mitreden zu dürfen, wurde mithilfe der Medien oder staatlich inspirierter Maßnahmen wieder in diese zurückgetrieben.
Wir Ostdeutschen waren mehr Demokraten, als uns das heute zugebilligt wird.
Die Diktatur der bundesdeutschen Demokratie hat unser Demokratieverständnis jedoch nachhaltig geschädigt.
"In der DDR geboren worden und aufgewachsen zu sein" wurde zum Makel und war ein Hindernis, sich unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen eine neue Existenz aufzubauen. Wer sich davon befreien wollte, ging in den Westen Deutschlands oder ins Ausland. Ehemalige DDR-Bürger und -Bürgerinnen hinterließen und hinterlassen ihre Spuren in einer Vielzahl von Ländern.
Die Wanderung aus den östlichen Bundesländern Richtung Westen hält bis heute an. Es ist die Reaktion der Generationen, die im Jahr der Wiedervereinigung 1990 und danach geboren wurden, auf die ungleiche Behandlung der im Osten lebenden Menschen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde nichts dafür getan, dies zu verändern. Auch in den folgenden Jahren ist nicht damit zu rechnen. Thüringen und Sachsen-Anhalt sind seit 1991 durchgängig von der Abwanderung betroffen. Die anderen neuen Bundesländer gewannen durch Zuzug wieder Einwohner hinzu. Laut Statistischem Bundesamt betrug der "Nettowanderungsverlust" der ostdeutschen Flächenländer bei den 18- bis 30-Jährigen im Jahr 2023 etwa 7.100.
Die in der Heimat gebliebenen Menschen wurden mit der Beseitigung ihrer früheren Arbeitsplätze beschäftigt oder mit mehr oder weniger sinnvollen Arbeitslosenprojekten bei Laune gehalten. Wichtigster Arbeitgeber war für fast 20 Jahre die Agentur für Arbeit. Echte Angebote der Agentur für einen Neuanfang der ihrer Berufe und Arbeit beraubten Menschen waren Mangelware. Mit dem Schreiben sinnloser Bewerbungen wurden sie beschäftigt und zugleich diszipliniert. Viele hielten der entwürdigenden Behandlung nicht stand. Die einen resignierten und richteten sich auf ein Leben mit vom Staat gewährten Almosen ein. Viele Menschen mit Ehrgefühl schieden aus dem Leben. Wer noch ein Fünkchen Hoffnung auf ein mögliches selbstbestimmtes und würdiges Leben in sich verspürte und wusste, dass es aus den verschiedensten Gründen keine Festanstellung mehr geben würde, betrat den schwierigen und entbehrungsreichen Weg der Selbstständigkeit. Zumeist ohne über die dafür erforderlichen finanziellen Grundlagen oder über andere Sicherheiten zu verfügen.
Die DDR-Bürger waren ein Leben mit gesicherter Beschäftigung gewohnt. Selbstständiger und Freiberufler wurde, wer sich von Zwängen befreien wollte und sich von diesem Schritt versprach, seinem Leben einen Sinn zu geben. Daneben gab es eine große Zahl von Unternehmern und Geschäftsinhabern, die mit dem Wirtschaften als Selbstständiger aus der Erfahrung heraus vertraut waren, aber in der alles verstaatlichenden DDR jahrzehntelang nicht mehr als freie Unternehmer tätig sein konnten. Wer sich für den Schritt in die Selbstständigkeit entschied, musste zunächst zahlen: für jede Beratung, für die Handwerkskammer oder Industrie- und Handelskammer, mit Vorauszahlungen für das Finanzamt, für Genehmigungen durch die Ämter, bei Beschäftigung von Arbeitskräften u.a. für die Agentur für Arbeit, für Banken und andere Finanzinstitute ... .
Fordern statt helfen!
Das erlebten und erleben bis heute all jene, die im kleinen und mittelständischen Gewerbe tätig sind und unter größten Anstrengungen das Rückgrat der Wirtschaft und die wichtige Grundlage für die Wohlfahrt der Menschen am Leben erhalten wollen.
Leben unter den Bedingungen des Kapitalismus musste unter großen Entbehrungen erst erlernt werden. Der Zusammenhalt zwischen den Menschen löste sich auf. Jeder und Jede kämpfte für sich um die Zukunft. Freundschaften zerbrachen, Familien gingen auseinander, soziale Strukturen lösten sich auf. In die Lücken drangen aus Westdeutschland kommende oder (weil sie wegen Ungeeignetheit bzw. fehlender Arbeitsmöglichkeiten nicht benötigt wurden) entsandte Personen ein. Ohne Erfahrungen mit einer sich auflösenden und neu formierenden Gesellschaft zu besitzen, nutzten sie mit ihrer Arbeit und ihren "Ratschlägen" die orientierungslosen und nach einer neuen Orientierung suchenden Menschen bedenkenlos aus.
Die gesellschaftlichen Umbrüche trafen auch die Kinder und Jugendlichen. Sie hatten nicht nur verunsicherte Eltern, sondern - orientierungslos geworden - auch auf orientierungslose Lehrer. Innerhalb kürzester Zeit verlor alles seine Gültigkeit. Das dem Bildungswesen übergeholfene Neue war in Teilen fragwürdig. Wie z.B. die Abschaffung des fakultativen Fremdsprachenunterrichts ab der 3. Klasse. In Zusammenarbeit zwischen Regierung und Gewerkschaft wurden die Lehrerinnen und Lehrer zum Verzicht auf die volle Höhe des ihnen zustehenden Gehalts sowie auf künftige Gehaltserhöhungen gedrängt, Das ihnen als Gegenleistung gegebene Versprechen: Es wird niemand entlassen.
Was nur teilweise zutraf. Lehrkräfte, die Staatsbürgerkunde unterrichteten, mussten entweder die Schule verlassen oder per Studium ein weiteres Lehrfach erwerben. Lehrkräfte, die als Pionierleiter oder Pionierleiterin tätig waren, mussten sich einen neuen Job suchen.
Nur unter größten Anstrengungen seitens der Lehrkräfte und Eltern konnten Einbrüche in der Bildungs- und Erziehungsarbeit verhindert werden, wie sie 20 Jahre später in der Corona-Zeit in Gesamtdeutschland zu verzeichnen waren.
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